Der Autor und Regisseur Cristian Mungiu wurde 1968 in Rumänien geboren und studierte Englisch und amerikanische Literatur sowie Filmregie an der Akademie für Film und Theater in Bukarest. Seine Kurzfilme wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Im Jahr 2000 entstand „Okzident”, Cristian Mungius erster abendfüllender Spielfilm, eine bitterabsurde Komödie über das Leben in Rumänien, für den er als Drehbuchautor, Regisseur und Ko-Produzent verantwortlich zeichnet. „Okzident” wurde für Cannes 2002 (‚Quinzaine des Réalisateurs') ausgewählt und ist mehrfach preisgekrönt. „Dass es in Osteuropa eine Art Fetischisierung des Westens gibt, stellt der Rumäne Cristian Mungiu in seiner Komödie (…) schon im Titel heraus. Hierbleiben oder Weggehen, auf diese vermeintliche Schicksalsfrage des besseren Lebens werden die Figuren laufend gestoßen, wobei auch Mungiu klarmacht, dass die Träume vom Westen oft nichts mit dessen Realität zu tun haben” (Freitag). Im Oktober 2003 wurde „Okzident” im Kleinen Fernsehspiel des ZDF in der Reihe „Neue Europäer” ausgestrahlt. Zwischenzeitlich lief der Film bei vielen internationalen Festivals, darunter u. a. in Cannes, Rotterdam und New York.
Fragen an den Regisseur:
Als Sie von dem Kinoprojekt von „relations” erfuhren, was haben Sie da gedacht oder empfunden?
Ich fand es sehr mutig. Die Sitten und Kulturen kleinerer Länder haben mich immer schon neugierig gemacht. Dieses Projekt steht für das, was ich am Kino so liebe: Eine Menge individueller Persönlichkeiten kommt da zusammen, die keinen Mainstream produzieren und keine Geschichten zu erzählen haben, die auch irgendein anderer anderswo erzählen könnte.
In Ihrem Film ist der Truthahn der Star einiger beeindruckender Szenen. Wie war diese Arbeit mit einem Tier?
Das gehörte zu den größten Herausforderungen des Films, denn es gab keinen guten Tiertrainer in Bukarest. Ich machte mich also erst einmal auf die Suche nach einem und entdeckte schließlich jemanden in Rumänien. Von Anfang an bestand ich darauf, einen Truthahn zu bekommen, der, nachdem er ein Schauspieler geworden war, in Ruhe das Ende seines Lebens genießen durfte. Zunächst wollte ich für alle Fälle drei ähnliche Truthähne haben, doch das war nicht möglich, da die Tiere nicht miteinander auskamen. So musste ich mich denn auf das Risiko einlassen, nur mit diesem einen zu arbeiten. Aber er entpuppte sich als ein sehr loyaler und guter Schauspieler. Nach und nach lernte er eine Reihe von Kunststücken. Das Wichtigste aber war, dass es den Trainern gelang, die Zuneigung, die der Truthahn zu ihnen gefasst hatte, auf die Schauspieler zu übertragen. Zehn Tage vor den Dreharbeiten schickte ich die Schauspieler an den Ort und das Ergebnis war: Für einen Vogel schauspielerte er wirklich gut.
Aber gehörte es denn zum Drehbuch, dass der Truthahn nicht ein einziges der Kunststücke vorführt, die das Mädchen ihm beigebracht hat?
Ja, das war so gedacht. Die Beziehung zwischen diesem Mädchen und dem Truthahn sollte nicht durch irgendein sichtbares Ergebnis definiert sein. Sie liebt den Vogel, weil er ihr Freund ist. Aber wir sehen nie, dass das Tier irgendetwas Besonderes tut. Man sollte in dem Vogel nur nicht den künftigen Braten sehen - unsere Freunde werden wir doch wohl nicht essen?!
Das Gespräch führte Oliver Baumgarten, Chefredakteur des Filmmagazins SCHNITT.