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relations dockt an: mit einem Überseecontainer für jeweils drei Tage an drei wichtige deutsche Kulturhäuser. Im schauspielhannover, im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg und im schauspielfrankfurt werden „Bilder des Ostens“ präsentiert und diskutiert. Dem Blick von Außen wird die Innenperspektive entgegengesetzt; Medienoberflächen werden mit Alltagserfahrungen und kultureller Produktion verschränkt. Kunst, Theorie, Musik und Literatur aus dem östlichen Europa erzählen von den tief greifenden gesellschaftlichen Veränderungen und treffen auf deutsche Realitäten. Komplexes wird sinnlich erfahrbar gemacht und dabei ein Raum zur Auseinandersetzung geöffnet, in den wir Sie herzlich einladen wollen.

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Der Fokus

Im Fokus der relations docking tour stehen sieben Städte, mit deren kulturellen Akteuren relations seit vier Jahren in intensivem Austausch steht: Chişinău, Sofia, Pristina, Sarajevo, Warschau, Zagreb und Ljubljana. relations zeigt, wovon auch 17 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer sich nur wenige ein Bild machen können: den Alltag sowie das intellektuelle und künstlerische Leben in Städten des östlichen Europa. Orte also, die unserem westlichen Denken als „Osten“ und damit intuitiv als fern und fremd gelten. Seit 1989 aber gleichen sich diese urbanen Zentren in einem rasanten Tempo westeuropäischen Standards an. Die Mieten steigen, öffentlicher Raum wird zunehmend privatisiert, die Schere zwischen arm und reich öffnet sich immer weiter. Gleichzeitig entwickeln sich Freiräume, nicht nur für Karrieren in der Wirtschaft, sondern auch für künstlerische Produktion und kritische Stimmen. Gegensätze gehören zur Entwicklung, das gilt überall. Und werden im östlichen Europa wirklich, wie oft behauptet, Prozesse, die im „Westen“ bereits gelaufen sind, einfach nur nachgeholt? Handelt es sich bei den so genannten Transformationsgesellschaften tatsächlich vor allem um Nachzügler und Kopisten des Westens? Aber: Was genau meint „Westen“ - wann „bist du Westen“?

Wir auf der westlichen Seite Europas tendieren nach wie vor dazu, die oben genannten Metropolen ungeachtet ihrer gegenwärtigen und geschichtlichen Unterschiede schlicht und pauschalisierend als „Osten“ zu verbuchen. Obwohl es unter Umständen Perspektiven gibt, unter denen Hannover Sofia näher ist als Bukarest, und Hamburg mehr gemein hat mit Budapest als mit Berlin.

Leisten wir uns also den differenzierten Blick, der sich von Vorstellungen des Ostens, des Kommunismus verabschiedet und damit auch die von dem Westen und dem Kapitalismus ad acta legt. Leisten wir uns einen Blick, der Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Parallelwelten aushält, ohne vorschnell im Klischee Orientierung zu suchen.

Die Tour

Die relations docking tour will Ihnen Blickwechsel und Standortverschiebungen ermöglichen. Ein Container empfängt Sie mit 15 TV-Monitoren, auf denen Fernsehbilder aus allen beteiligten Städten flimmern. Nachrichten, Talkshows, Serien- und Quotenhits - zu sehen sind ganz normale staatliche und private Programme. Darüber legen sich unverhofft Langzeitaufnahmen, ungeschnittene Videobilder von charakteristischen Orten aus denselben Städten, produziert von den relations-Projekten; Menschen beim Einkaufen, Passanten beim Flanieren auf den Boulevards, das Treiben in populären Cafés. Dokumentarische Echtzeit-Bilder und Medienphantasien koexistieren und verschwinden wieder, eines nach dem anderen. Wer tiefer in den Alltag und das kulturelle Leben von Chişinău, Sofia, Pristina, Sarajevo, Warschau, Zagreb und Ljubljana eintauchen will, folgt den Kabeln, den Versorgungsleitungen, aus dem Container hinein in die Schauspielhäuser. Täglich ab 14 Uhr ist dort die relations Lounge geöffnet. Audiostationen und Videoportraits der internationalen Akteure von relations vermitteln einen Eindruck nicht nur der einzelnen Künstler, ihres Denkens und ihrer Arbeiten, sondern in der Gesamtschau ein Portrait der verschiedenen Kunst- und Kulturszenen der Länder.

Herzstück der docking tour sind die Abendveranstaltungen. Bildende Künstler, Musiker, Theatermacher, Schriftsteller, Journalisten und Theoretiker aus Deutschland und dem östlichen Europa verhandeln hier live Positionen des Eigenen und des Fremden. Analytisch oder sinnlich, spielerisch und streitbar - und in jedem Fall stets offen für Ihre Intervention. Dabei reicht das Spektrum von einer Filmreihe, organisiert in Zusammenarbeit mit dem Sarajevo Film Festival, über hochkarätig besetzte Podien bis hin zu jungem moldauischen „HipHop-Folk-Grunge“. Wie in der gesamten relations-Arbeit sind zum Teil ernüchternde Zustands-Beschreibungen nur der erste Schritt und das Weiterdenken und Darüberhinausgehen unser eigentliches Anliegen.

Die Bilder des Ostens – relations docking tour 01 bildet den Abschluss der vierjährigen intensiven Zusammenarbeit zwischen Künstlern, Theoretikern, Publizisten und Kuratoren aus dem östlichen Europa mit ihren deutschen Kollegen. Und doch machen wir mit dieser Veranstaltungstour auch einen Anfang und setzen einen eben erst beginnenden Dialog fort. Einen Dialog, der künstlerische und theoretische Positionen aus dem östlichen Europa frei von Exotismus mit einem kritischen Denken in Deutschland verbindet.

Denn davon sind wir überzeugt: Für ein besseres Verständnis davon, wie dieses allgegenwärtige und doch so abstrakte Ding Europa funktioniert, bedarf es weiterer und vor allem lebendiger Diskussionen und künstlerischer Interventionen, die Innen- und Außenperspektive verschränken und eine Nabelschau verhindern. Erst auf diese Weise lassen sich den großen Fragen, die uns tatsächlich alle grenzüberschreitend betreffen, neue Antworten hinzufügen.