Kontakt    Druckversion   en | de

Hauptstadt: Warschau, 1 687 628 Einwohner (Fortschreibung 2005)
Einwohner: 38 230 100 (Zensus 2002)
Bevölkerung: 98,7 Prozent Polen, nationale Minderheiten: 300 000 bis 500 000 Deutsche,
300 000 Ukrainer, 200 000 Weißrussen
Fläche: 312 685 Quadratkilometer
Bruttoinlandsprodukt (BIP): 209,6 Milliarden US-Dollar (2003)
BIP pro Kopf: 5486 US-Dollar (2003)

 

Die Gespenster der Vergangenheit

Die Periode der kommunistischen Herrschaft in Polen weist im Verhältnis zu anderen sozialistischen Staaten eine Reihe von Besonderheiten auf. Bemerkenswert sind der frühzeitige Abbruch der Zwangskollektivierung in der Landwirtschaft (1956), der erhebliche Einfluss der katholischen Kirche und die Stärke der Oppositionsbewegungen.1 
Bereits in den 1970er Jahren hatte die Volksrepublik mit einer wirtschaftlichen Krise zu kämpfen, die im Laufe des Jahrzehnts von einer politischen überlagert wurde. Das Erstarken der Solidarność-Bewegung nahm Anfang der 1980er Jahre systemsprengende Ausmaße an. Um das Regime zu retten und eine drohende Intervention sowjetischer Truppen zu verhindern, rief General Wojciech Jaruzelski, der damalige Regierungsund Parteichef sowie Verteidigungsminister und Oberbefehlshaber, am 13. Dezember 1981 das Kriegsrecht aus. Diese Maßnahme diente auch dazu, ein ökonomisches Austeritätsprogramm durchzusetzen. Die herrschende Ordnung konnte zwar wiederhergestellt werden, aber die Wirtschaftsreformen scheiterten nicht zuletzt aufgrund des fehlenden gesellschaftlichen Konsenses. Schließlich sah sich die Militärregierung gezwungen, mit Vertretern der nun verbotenen Solidarność Verhandlungen am "runden Tisch" aufzunehmen, um einen Ausweg aus der ökonomischen und politischen Krise zu finden.
Die Kirche, auf dem Höhepunkt ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz, spielte dabei eine entscheidende Vermittlerrolle. Im April 1989 wurde Solidarność erneut als Gewerkschaft zugelassen und das 1952 abgeschaffte Amt des Staatspräsidenten wieder eingeführt. Dieser sollte von einer Nationalversammlung gewählt werden und eine starke verfassungspolitische Position erhalten. Am 4. Juni 1989 kam es zu den von beiden Seiten verabredeten ersten Wahlen, die einen erdrutschartigen Sieg für die Opposition brachten. Nur wenig später wurde mit Rücksicht auf die bestehenden Machtverhältnisse Jaruzelski zum Staatspräsidenten ernannt, der am 20. August 1989 den Wałęsa-Berater Tadeusz Mazowiecki mit der Bildung einer Regierung beauftragte. Das Jahr 1990 markiert den Abschluss des Systemwechsels schließlich auch außenpolitisch: Am 14. November erkannte Deutschland die Oder-Neiße-Linie2  endgültig als Staatsgrenze an.

Instabiles Parteienspektrum

Das politische System des postsozialistischen Polen besitzt einige charakteristische Merkmale. So existiert ein starker Dualismus zwischen den ehemaligen Vertretern und den Gegnern der alten Herrschaftsordnung. Auch wenn der herausragende Einfluss der katholischen Kirche im Laufe der 1990er Jahre abnahm, stellt sie weiterhin einen wichtigen Machtfaktor dar. Die Parteienlandschaft zeichnet sich durch eine starke Heterogenität und Instabilität aus: Zusammenschlüsse, Umbenennungen und Neugründungen sind an der Tagesordnung. Allein zwischen 1989 und 1999 amtierten nicht weniger als acht Regierungschefs. Bemerkenswert ist zudem der konstant hohe Anteil von Nichtwählern, der für eine tiefe Entfremdung zur politischen Klasse steht. Bei den Wahlen von 2005 beteiligten sich nur 40 Prozent der Wähler und Wählerinnen.
Die ersten freien Wahlen fanden erst 1991 statt. In der Zwischenzeit hatten die Kommunisten sich als Partei aufgelöst und die Sozialdemokratie der Republik Polen (SdRP) gegründet. Dank eines Wahlsystems, das kleine Parteien begünstigte, schafften 19 Gruppierungen den Sprung in den Sejm (Parlament). Als stärkste Kraft erreichte die Demokratische Union, hervorgegangen aus dem liberalen Flügel der Solidarność, lediglich 13 Prozent. Entsprechend schwierig gestaltete sich die Regierungsbildung in einer Mitte-rechts-Koalition. Diese Phase stand für den Versuch, ein radikales neoliberales Programm durchzusetzen, das zunehmend auf soziale Proteste stieß. Aus den vorgezogenen Wahlen im September 1993 ging das Bündnis der Demokratischen Linken (SLD) unter der Führung der SdRP als Gewinner hervor. Sie bildete mit der Bauernpartei (PSL), einer ehemaligen Blockpartei der Volksrepublik, eine Regierungskoalition. Programmatisch stand die PSL für eine strukturbewahrende Politik in der Landwirtschaft. Die SLD nutzte ihre Regierungsmacht dazu, Mitgliedern der alten Nomenklatura wieder Schlüsselpositionen in Staat und Wirtschaft zu verschaffen. Gleichzeitig trat an die Stelle des bisherigen Marktradikalismus eine "staatskapitalistische" Interventionspolitik.
Politisch umstritten war die Rolle des Staatsoberhauptes. Nachdem Jaruzelski schon kurz nach seiner Ernennung zum Präsidenten im September 1989 um eine Verkürzung seiner Amtszeit gebeten hatte, wurde Lech Wałęsa im Dezember 1990 mit großer Mehrheit zu seinem Nachfolger gewählt. Unter Wałęsas Ägide kam es zu dauerhaften Konflikten mit der Regierung und dem Sejm. Er blockierte wichtige Gesetze und verweigerte die Ernennung ihm missliebiger Minister. Den eigenmächtigen Politikstil begründete Wałęsa mit seinen historischen Verdiensten. Bei den nächsten Präsidentschaftswahlen im Jahr 1995 siegte der SLD-Kandidat Aleksander Kwaśniewski mit knappem Vorsprung. Er setzte 1997 eine neue Verfassung durch, welche die Kompetenzen des Staatsoberhauptes zugunsten des Parlaments schwächte. Aufgrund seiner Popularität wurde Kwaśniewski am 8. Oktober 2000 erneut zum Präsidenten gewählt.
Nachdem die SLD bei den Sejm-Wahlen 1997 von der konservativen Wahlaktion Solidarność (AWS) in die Opposition geschickt worden war, gelang es ihr 2001, gemeinsam mit der Bauernpartei wieder die Regierung zu stellen. Doch sie diskreditierte sich in den folgenden Jahren durch eine Serie von Korruptionsaffären. Die Wahlen im September 2005 brachten deshalb einen überwältigenden Sieg des rechten Lagers und eine völlige Marginalisierung der SLD (10,9 Prozent). Die nationalkonservative Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) erreichte 26,8 Prozent und die liberalkonservative Bürgerplattform (PO) 24,2 Prozent. Die beiden Parteien, die sich 2001 aus der zerfallenden AWS heraus gegründet hatten, entstanden als eine Art Bürgerrechtsbewegung. Ebenso kamen die Protestpartei "Selbstverteidigung" (11,7 Prozent) und die nationalklerikale Liga Polnischer Familien (7,4 Prozent) zum Zuge. Entscheidend für diesen Ausgang war die Erwartung vieler Wähler und Wählerinnen, die Rechte würde den Filz zwischen Wirtschaft und Politik energischer bekämpfen. Während die liberalkonservative PO durch weitere Deregulierungsmaßnahmen, das Zurückdrängen der Gewerkschaften und eine Vereinfachung des Steuersystems die Marktkräfte noch mehr entfesseln möchte, verlangt die PiS, die sich stark an katholisch-konservativen Werten orientiert, ein größeres soziales Engagement der öffentlichen Hand. Mit ihrer "moralischen Revolution", die sich ebenso gegen Homosexualität wie Kriminalität und Korruption richtet, scheint die populistische Partei eine gesellschaftliche Stimmung in Polen getroffen zu haben.

Sensibles deutsch-polnisches Verhältnis

Im Gegensatz zu dem Beitritt zur Nato im Jahr 1999, der sich auf eine breite gesellschaftliche Zustimmung stützen konnte, hatten einige Parteien im Vorfeld der polnischen EU-Mitgliedschaft eine deutliche antieuropäische Skepsis artikuliert. Nicht nur die Bauernpartei und die "Selbstverteidigung" lehnten damals die Europäische Union ab, sondern auch Gruppierungen aus dem konservativen Flügel der ehemaligen Solidarność. Als deren Stichwortgeber betätigte sich das katholische Episkopat, das vor den Einflüssen der "permissiven Gesellschaft" in Westeuropa und dem "Verlust der polnischen Werte" warnte. Erst auf Druck des Vatikans stellte die Kirche ihre europafeindliche Propaganda ein. Nach langwierigen Verhandlungen mit der Europäischen Union erreichte die polnische Links-Regierung, dass die Zahlungen von europäischen Direkthilfen an polnische Bauern nachgebessert wurden, und reagierte damit auf eine verbreitete Skepsis in der Bevölkerung. Allerdings blieb Polen im Verhältnis zu früheren EU-Erweiterungsrunden nur ein relativ geringer Spielraum für die Durchsetzung eigener Interessen. Bereits am 13. Dezember 2002 wurde in Kopenhagen der Abschluss der Beitrittsverhandlungen für Polen und eine Reihe anderer osteuropäischer Staaten verkündet. Dabei hatten Deutschland und Österreich hinsichtlich der "Freizügigkeit der Arbeitnehmer"3  in der EU besonders restriktive Übergangsregelungen erwirkt. Nach der Unterzeichnung der Beitrittsdokumente am 16. April 2003 fand in Polen am 7. und 8. Juni 2003 eine Volksabstimmung statt, bei der sich 77,5 Prozent für die Europäische Union aussprachen. Am 1. Mai 2004 trat das Land schließlich der EU bei.
Die EU-Mitgliedschaft wird nach dem Wahlsieg der nationalkonservativen Kräfte nicht in Frage gestellt werden, aber das ohnehin schwierige Verhältnis zwischen Warschau und Berlin steht vor einer neuen Belastungsprobe. So hatten die deutschen Vertriebenenverbände den EU-Beitritt Polens zum Anlass genommen, die Anwendung der Europäischen Menschenrechtskonvention einzufordern. Als EU-Bürger könnten die Vertriebenen den Europäischen Gerichtshof anrufen, um Polen wegen des unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg begangenen Unrechts zu verklagen. Auf solche Überlegungen reagierend, bewirkten die Zwillinge Jarosław und Lech Kaczyński, die an der Spitze der PiS stehen, am 10. September 2004 einen einstimmigen Parlamentsbeschluss, der die polnische Regierung dazu auffordert, Verhandlungen über deutsche Reparationszahlungen4  aufzunehmen. Die Ankündigung der deutschen Rechtsberatungsfirma Preußische Treuhand im September 2005, die Herausgabe von Immobilien in den ehemaligen Ostgebieten gerichtlich erzwingen zu wollen, gibt solchen Forderungen zusätzlichen Auftrieb. Als weiterer Stein des Anstoßes erweist sich das in Berlin geplante "Zentrum gegen Vertreibungen". Das Projekt gilt aus polnischer Sicht als geschichtsrevisionistischer Versuch, Deutschland nicht mehr als Täternation, sondern als Opfer des Zweiten Weltkrieges darzustellen. Aber auch die geplante Erdgaspipeline zwischen Russland und Deutschland, die über die Ostsee geführt werden soll und Polen damit umgehen würde, hat die PiS zu Vergleichen mit dem Hitler-Stalin-Pakt5  provoziert. In der polnischen Gesellschaft besteht eine historisch begründete Angst vor einer russischdeutschen Umklammerung.

Die Entfesselung der Marktkräfte

Unter der ersten nichtkommunistischen Regierung kristallisierte sich angesichts einer äußerst prekären wirtschaftlichen Lage eine neoliberale "Schocktherapie" heraus. Auch in dieser Hinsicht spielte Polen in Osteuropa eine Vorreiterrolle. Das Programm umfasste eine binnen- und außenwirtschaftliche Liberalisierung, eine weitgehende Konvertierbarkeit der Währung und die Einleitung der Privatisierung. Die Durchführung der Schocktherapie konnte sich dabei auf eine gewisse ökonomische Basis stützen. Bereits 1990 trugen privatwirtschaftliche Aktivitäten 30 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Zu den Protagonisten, die den neuen Kurs maßgeblich vorantrieben, zählten neben der heimischen Reformelite die internationalen Finanzinstitutionen. Da die polnische Regierung Sofortkredite benötigte und einen Schuldenerlass anstrebte, ließ sie sich auf neoliberale Sanierungskonzepte verpflichten, wie sie seit den 1980er Jahren verschuldeten Ländern in der "Dritten Welt" aufgezwungen werden. Tatsächlich erhielt Polen einen weitgehenden Schuldenerlass.
Das Radikalprogramm stabilisierte die Wirtschaft und initiierte schon bald ein ökonomisches Wachstum. Allerdings waren die gesellschaftlichen Kosten erheblich: Der Lebensstandard sank, die Arbeitslosigkeit wuchs und die Reallöhne nahmen um mehr als ein Viertel ab. Mitte der 1990er Jahre lebte rund ein Viertel der Bevölkerung unter der von der Regierung festgelegten Armutsgrenze.
Die Privatisierung des staatlichen Sektors ging hingegen langsamer vonstatten als in anderen postsozialistischen Staaten. Während die Nomenklatura dank ihrer Schlüsselpositionen in der Wirtschaft vom in den späten 1980er Jahren einsetzenden Privatisierungsprozess profitiert hatte, lehnten die Mehrheit der Solidarność-Führung und der Großteil der Bevölkerung dieses Modell der Insiderprivatisierung, wie sie etwa in Russland üblich war, als eine illegitime Bereicherung der alten Herrschaftseliten ab. Ebenso wenig kam für die neoliberale Reformelite eine Massenprivatisierung der Betriebe in Frage, da sie eine Blockade des radikalen Sanierungsprogramms durch die Belegschaften befürchtete, die als Mitbesitzer Einspruchsmöglichkeiten gehabt hätten. Angesichts der instabilen Regierungsverhältnisse lief auch die Veräußerung des staatlichen Eigentums an ausländische Investoren nur schleppend an.
Erst ab 1997 setzte unter der Post-Solidarność-Regierung ein weiterer neoliberaler Restrukturierungsschub ein. Es wurde nicht nur eine Reihe von staatlichen oder halbstaatlichen Unternehmen privatisiert, sondern auch eine Reform des Gesundheitswesens und der sozialen Sicherungssysteme in Gang gesetzt. Dabei ging es vor allem darum, die Sozialabgaben zu reduzieren. Die Privatisierung oder Schließung ehemaliger Staatsbetriebe hatte in den 1990er Jahren zu einer enormen Belastung des Rentensystems geführt. Die polnischen Regierungen versuchten die anhaltenden Massenentlassungen mit einer Politik der Frühverrentung sozial abzufedern. Dadurch sank die Zahl der Beitragszahler, und die der Rentenbezieher stieg immer mehr an. Zum Ausgleich verabschiedete der Sejm 1997/ 98 ein Alterssicherungsmodell, welches das staatliche Umlagesystem mit privaten Pensionsfonds kombinierte. Dennoch bewegen sich seit dem Reformbeschluss die Ausgaben der Rentenkassen weiterhin auf einem hohen Niveau, nicht zuletzt wegen der Zahlungen für die Berufsunfähigkeitsversicherung. Die staatliche Invalidenhilfe erhalten gegenwärtig 13 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung.

Entkopplung von Wachstum und Beschäftigung

In der Zwischenzeit ist der Privatisierungsprozess weit vorangeschritten. Im Jahr 2002 stammten 71,7 Prozent der Bruttowertschöpfung aus der Privatwirtschaft.
Als problematisch für die polnische Wirtschaftspolitik gilt neben einem hohen Haushaltsdefizit die anstehende Umstrukturierung der Landwirtschaft. Sie trägt zwar nur rund 3 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei, beschäftigt aber 20 Prozent der polnischen Erwerbstätigen. Entgegen früheren Befürchtungen gehören die Bauern, dank höherer Absatzpreise, einer anziehenden Auslandsnachfrage und Direkthilfen aus Brüssel, auf den ersten Blick zu den Gewinnern der EU-Erweiterung. Der überwiegende Teil der polnischen Landwirtschaft besteht jedoch aus Klein- und Kleinstbetrieben mit Flächen unter 10 Hektar. Deren Anzahl wird sich durch die Marktöffnung und die damit einhergehenden Rationalisierungs- und Modernisierungsmaßnahmen erheblich verringern. Die Freisetzung zahlreicher Arbeitskräfte im Primärsektor könnte zu einem weiteren Anstieg der ohnehin dauerhaft hohen Arbeitslosenquote führen, die 2004 bei 19,2 Prozent lag. Die geringe Zahl der Erwerbsfähigen auf dem polnischen Arbeitsmarkt (2004: 45 Prozent) ist auch darauf zurückzuführen, dass die Mehrheit der freigesetzten Frührentner aufgrund ihrer prekären ökonomischen Lage einer Tätigkeit in der Schattenwirtschaft nachgeht. Das polnische Pro-Kopf-Einkommen entsprach im Jahr 2003 lediglich 46 Prozent des EU-Durchschnitts. Damit gilt Polen als das zweitärmste Land in der Europäischen Union. Entsprechend niedrig sind auch die Löhne. Mit 530 Euro (2003) lag der durchschnittliche Bruttomonatslohn zwar über dem der Slowakei und Tschechiens, aber auch erheblich unter dem deutschen Niveau. Obwohl Polen mit 5,4 Prozent Wirtschaftswachstum (2004) als eine der dynamischsten Volkswirtschaften in der Europäischen Union gilt, ist der wirtschaftliche Aufschwung nur in den großen Städten bemerkbar. Strukturschwache ländliche Gebiete, wie etwa im Nordosten Polens, verharren weiterhin in Stagnation. Die Entkopplung von Wachstum und Beschäftigung stellt zwar ein strukturelles Problem der polnischen Volkswirtschaft dar, aber der anhaltende Boom belegt, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen auf dem Weltmarkt verbessert hat. Auch die ausländischen Direktinvestitionen stiegen 2004 um 23 Prozent. Dabei lag Deutschland an vierter Stelle. Zwar trug die Industrie nur 20,8 Prozent (2002) zum Bruttoinlandsprodukt bei, gegenwärtig befindet sie sich aber im Aufwind. Die Lage der krisengeschüttelten Montanindustrie hat sich durch die Hausse auf den Rohstoffmärkten und die chinesische Nachfrage verbessert. Der Anstieg der Exporte führte auch zu einer Reduzierung des Handelsbilanzdefizits (2003: 5,73 Milliarden US-Dollar). Mehr als 80 Prozent der polnischen Ausfuhren gingen 2004 in die EU, wobei Deutschland (30,7 Prozent) der mit Abstand der wichtigste Abnehmer ist. Ebenso stammten 70 Prozent der Importe aus der Europäischen Union, auch hier stand die Bundesrepublik (24,6 Prozent) an erster Stelle.

Der Kampf zweier Linien

Bereits im Vorfeld des polnischen EU-Beitritts hatte die Europäische Kommission Defizite bezüglich der Pressefreiheit in den öffentlich-rechtlichen Medien festgestellt. Die jeweilige Regierungsmehrheit und der Staatspräsident bestimmen in den Anstalten nicht nur die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien und die Chefredakteure, sondern auch die Posten der politischen Redakteure. Im Gegensatz zu Ländern wie Frankreich oder Großbritannien, wo die Führungsebenen der Sender ebenfalls von der jeweiligen Regierung besetzt werden, findet in Polen nach einem Machtwechsel der Austausch kompletter Redaktionen statt.
Die anvisierte Liberalisierung des Rundfunkgesetzes, das polnischen Presseunternehmen bislang untersagt, sich zugleich an großen privaten Fernsehsendern zu beteiligen, führte 2002 zu einem Medien- und Korruptionsskandal. Der bekannte polnische Filmproduzent und Oscar-Preisträger Lew Rywin (Schindlers Liste, Der Pianist) hatte – wahrscheinlich im Auftrag der damaligen SLD-Regierung – versucht, dem polnischen Medienunternehmen Agora gegen die Zahlung von 17,5 Millionen US-Dollar Schmiergeld eine Beteiligung an dem kommerziellen Fernsehveranstalter Polsat zu ermöglichen.
Im Vorfeld der Wahlen von 2005 brach ein Machtkampf zwischen dem SLD-freundlichen Aufsichtrat des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders TVP und dem liberal-konservativ orientierten Intendanten um die Kontrolle des wichtigsten polnischen Mediums aus. Der Sieg des rechten Lagers im September 2005 wird auch in dieser Hinsicht zu einschneidenden personellen und inhaltlichen Veränderungen führen.
Eine Besonderheit stellen die diversen TV- und Rundfunksender aus dem Umfeld der katholischen Kirche dar. Dabei nimmt das Medienimperium des Paters Tadeusz Rydzyk, der mit Unterstützung eines fundamentalistischen Ordens den Hörfunksender Radio Maryja betreibt, eine besondere Rolle ein. Der Sender, der täglich bis zu fünf Millionen Hörer und Hörerinnen erreicht, zeichnet sich durch ein nationalistisches und antisemitisches Programm aus.
Die polnischen Printmedien werden von ausländischen Pressekonzernen dominiert. Deutsche Unternehmen wie Springer, Bertelsmann, Burda und die Verlagsgruppe Passau spielen dabei eine herausragende Rolle. Gegenwärtig baut insbesondere der Springer-Verlag sein Engagement im Zeitungsbereich aus. Mit der auflagenstärksten Tageszeitung Fakt
(500 000 Exemplare) bringt er die renommierte Gazeta Wyborcza, ein Blatt aus dem liberalen Solidarność-Umfeld, in Bedrängnis.


 

1 Nach gewalttätigen Massendemonstrationen kam es 1956 zum “polnischen Tauwetter”, das allerdings nur zwei Jahre andauerte. Danach schlug der damalige Parteichef Władysław Gomułka wieder einen autoritären Kurs ein. Nach schweren sozialen Unruhen im Dezember 1970 musste er schließlich zurücktreten. 1976 versuchte das Regime die wachsende Konsumnachfrage der Bevölkerung durch Preiserhöhungen zu dämpfen. Doch die Arbeiterschaft reagierte, wie schon in der Vergangenheit, mit Streiks und Demonstrationen. Gegen die darauf einsetzende Repressionswelle gründete eine Reihe von Intellektuellen das Komitee zur Verteidigung der Arbeiter (KOR). Die Dissidentengruppe löste die Entstehung einer Oppositionsbewegung aus, die in ihrer Breite als einmalig für den Ostblock gilt. Der Widerstand gegen das System erhielt 1978 durch die Wahl des Krakauer Erzbischofs Karol Wojtyla zum Papst Johannes Paul II. zusätzlichen Auftrieb. Im Sommer 1980 brachen erneut zahlreiche Streiks aus. Dies war die Geburtsstunde der Solidarność, die sich als Dachverband einer gewerkschaftlichen Organisation und zugleich als Sammelbecken der oppositionellen politischen Kräfte verstand. Zum ersten Vorsitzenden wurde Lech Wałęsa, ein Arbeiter aus der Danziger Lenin-Werft, gewählt. [zurück]

2 Bereits auf der Konferenz von Teheran (28. November bis 1. Dezember 1943) einigten sich Franklin D. Roosevelt, Winston Churchill und Josef Stalin grundsätzlich über die Abtretung polnischer Ostgebiete an die Sowjetunion und eine Westverschiebung Polens zu Lasten des Deutschen Reiches. Auf der Konferenz von Jalta (4. bis 11. Februar 1945) setzten die drei Großmächte die polnisch-sowjetische Grenze fest, die in etwa den Demarkationslinien des Hitler-Stalin-Paktes entsprach. Im Potsdamer Abkommen ( 2. August 1945 ) bestimmten die Alliierten die Oder-Neiße-Linie als provisorische Westgrenze Polens und stellten die östlich davon gelegenen Gebiete, die den Grenzen des Deutschen Reiches von 1937 entsprachen, unter vorläufige polnische Verwaltung. Alle dort lebenden Deutschen sollten ausgesiedelt werden. Diese Entscheidung bezeugt, dass der neue Grenzverlauf keineswegs als Provisorium gedacht war, auch wenn die endgültige Festlegung einer späteren Friedenskonferenz überlassen blieb. Bis Ende 1950 mussten ungefähr 8,5 Millionen Deutsche die ehemaligen Ostgebiete und Polen verlassen. Die im Jahr 1970 geschlossenen Gewaltverzichtsabkommen zwischen der deutschen und polnischen Regierung beinhalteten den Vorbehalt, dass die Bundesrepublik die OderNeißeGrenze nur vorläufig anerkenne. Nach Bonner Rechtsauffassung existierte das 1945 zerschlagene Deutsche Reich weiterhin in seinen Grenzen von 1937. [zurück]

3 Bezüglich der "Freizügigkeit der Arbeitnehmer" werden in den ersten zwei Jahren nach dem EU-Beitritt die jeweiligen nationalen Regelungen für Altmitglieder hinsichtlich Aufenthaltsrecht und Arbeitserlaubnis aufrechterhalten. Die Übergangseinschränkung endet generell nach fünf, in einigen Mitgliedsstaaten erst nach sieben Jahren. Im Fall von Polen hat sich seit den 1990er Jahren eine Pendlermigration herausgebildet. Schätzungsweise eine Million Erwerbsfähige gehen temporär im Ausland einer Arbeit nach, vorzugsweise in Deutschland. [zurück]

4 Auf der Londoner Schuldenkonferenz 1953 gelang es der Bonner Regierung in der Reparationsfrage, einen langfristigen Aufschub von Reparationszahlungen für den verlorenen Zweiten Weltkrieg zu bewirken. Die anstehenden Forderungen betroffener Staaten wurden bis zum Abschluss eines ausstehenden Friedensvertrages vertagt. In der Folge unterschied die Bundesregierung bei den an sie herangetragenen Ansprüchen stets zwischen Reparationskosten infolge von Kriegsschäden und wiedergutmachungspflichtigen NS-Verbrechen. Gegenüber Polen behielt die Bundesrepublik sich vor, ausstehende Reparationsleistungen mit eigenen Forderungen wegen der Vertreibung und Enteignung deutscher Staatsbürger zu konfrontieren. Mit der deutschen Vereinigung schien 1990 der bis dahin fiktive Termin für die Zahlung der Reparationen reale Gestalt anzunehmen. Es lag im Interesse der Bundesregierung, einen formellen Friedensvertrag zu verhindern, um nicht Ansprüchen seitens der Gläubigerstaaten nachkommen zu müssen. Tatsächlich gelang es ihr 1990 in dem sogenannten Zwei-plus-vier-Abkommen zwischen den ehemaligen Siegermächten einerseits und der BRD und DDR andererseits, eine schriftliche Fixierung dieser Problematik auszuklammern. Fünfzig Jahre nach dem Krieg, so der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl, solle man keine alten Rechnungen mehr aufmachen. Gleichwohl dienten ihm die Restitutionsforderungen der deutschen Vertriebenenverbände als Dispositionsmasse bei den Verhandlungen mit Polen. Schließlich erklärte die Bundesrepublik sich in einem Notenwechsel "auf Grundlage humanitärer Überlegungen" zu einer "Geste" bereit. Der östliche Nachbar erhielt 500 Millionen D-Mark für die "Opfer nationalsozialistischer Verfolgung" und verpflichtete sich seinerseits, keine weiteren Ansprüche mehr geltend zu machen. Im Gegenzug verzichtete Deutschland auf ein Territorium, das es bereits 1945 – als Konsequenz des faschistischen Vernichtungskrieges – an Polen verloren hatte. [zurück]

5 Am 23. August 1939 unterzeichneten die Außenminister Wjatscheslaw Molotow und Joachim von Ribbentrop den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt, der später als Hitler-Stalin-Pakt in die Geschichte einging. In einem geheimen Zusatzprotokoll wurden das westliche Polen und Litauen der deutschen Interessensphäre zugeschlagen; Finnland, Estland, Lettland, das östliche Polen und Bessarabien fielen hingegen an die Sowjetunion. In einem weiteren Ergänzungsvertrag vom 28. September 1939 kam Litauen im Austausch gegen polnische Gebiete ebenfalls zum russischen Einflussbereich. Nachdem die deutschen Truppen am 1. September 1939 Polen überfallen und innerhalb weniger Wochen militärisch niedergerungen hatten, teilten die beiden Großmächte ihre Beute. Die sowjetischen Behörden deportierten in ihrem Bereich 1,5 Millionen Polen nach Sibirien und Kasachstan. Das Deutsche Reich gliederte große Teile des polnischen Territoriums direkt in das eigene Staatsgebiet ein. Die dort lebenden Menschen wurden nach "rassischen" Kriterien kategorisiert und der als "slawisch" eingestufte Bevölkerungsteil vertrieben. Zentralpolen erhielt den Status eines "Generalgouvernements" und geriet bald zum Experimentierfeld deutscher Besatzungspolitik: Sie umfasste die gezielte Liquidierung der politischen und kulturellen Elite, willkürliche Massaker an der Zivilbevölkerung, die massenhafte Rekrutierung von Zwangsarbeitern, die Ausplünderung aller Ressourcen und die systematische Ermordung der Juden. Während der deutschen Okkupation. [zurück]