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Die Themenabende

Freitag, 20.10.06, ab 20.00 Uhr
Planet Moldau

Unsere Nachbarplaneten sind unbekannt und unbewohnbar - oder etwa doch nicht? Auch wenn die Republik Moldau am Rande von Europa liegt und daher häufig unserer Aufmerksamkeit entgeht, so werden hier doch Fragen zu gesellschaftlichen Verhältnissen in einer Klarheit und Radikalität aufgeworfen, die auch internationale Problemlagen plastisch machen. Der Documenta-Künstler Pavel Brăila und Freunde laden im Rahmen von „Planet Moldau“ ein, eine Gesellschaft kennen zu lernen, die sich seit 1989 rasant und umfassend verändert hat und viel über Europa in seinem Jetzt-Zustand erzählen kann.

Wir beginnen mit einer Lesung der jungen moldauischen Autoren Nicoleta Esinencu und Alexandru Vakulovski aus dem relations-Buch Sprung in die Stadt. Ihre wütenden Texte attackieren die Gewohnheiten und Vorurteile ihrer Landsleute und erzählen von gesellschaftlicher Verstörung und Destruktion. Gerahmt werden die beiden Autorentexte von einer weiteren Lesung: Die ehemalige Fassbinder-Schauspielerin Irm Hermann nimmt sich der nüchternen Fakten zur Geschichte und Gegenwart des kleinen Landes an. Pavel Brăilas Performance „Reflections in White“ schließlich steigt in die Lesung ein und scheint auf diese zu antworten. Ein Tänzer zerreißt geräuschvoll Papierbahnen. Tabula rasa statt Aufzeichnung. Nach einer Pause setzen wir den Abend mit Musik fort. Die Performance „Musicbox“ stellt Kulisse und Konzept bereit: Vor dem Pappmodell einer Popband boxt sich der Künstler Pavel Brăila zu Pop-Samples durch ein Universum der Kopien, so lange, bis ihn „Zdob şi Zdub“ mit ihrem Folk-HipHop-Konzert von der Bühne fegt. Die moldauischen Superstars beherrschen das Kunststück, sowohl die Fans von wilder, genredurchmischter Musik als auch die Liebhaber des Prix d'Eurovision zu fesseln (zuletzt mit ihrem Hit „Die Oma haut die Trommel“). Moldau zeigt sich einmal mehr von seiner kategoriensprengenden Seite.

Samstag, 21.10.06, ab 20.00 Uhr
Fetisch Europa, oder was uns im Innersten zusammenhält

Trotz der euphorischen oder abwehrenden Diskussionen um Europa, trotz der Organisationen und Institutionen, die es politisch gestalten, scheint Europa eine schwer greifbare Vorstellung oder ein Ersatzobjekt zu bleiben. Aber was hält Europa zusammen, jenseits der Bürokratie?

Den Themenabend im Malersaal des deutschen Schauspielhauses in Hamburg beginnen wir mit Luchezar Boyadjiev und seiner kommentierten Bilder-Show „Billboard Heaven - Sofia und die Bilder des Westens“. Der Künstler präsentiert Bilder aus seinem umfangreichen Archiv zu Sofia, das den Wandel in der visuellen Oberfläche der Stadt nicht nur dokumentiert, sondern durch manipulative Eingriffe in den Bildern überzeichnet. Boyadjievs künstlerische Arbeiten zeigen eine Stadt, in der - unter dem teilweise selbstauferlegten Diktat einer schnellen Anpassung an den kapitalistischen Westen - alles möglich ist. Rückhaltlos konfrontiert Boyadjievs Arbeit den Zuschauer mit der Durchschlagskraft und Obszönität der Transformationen.

An die Präsentation schließt sich eine Diskussionsrunde an, die unter dem Motto: „ ... und dann bist du Westen!“ steht. Sie führt die von Luchezar Boyadjiev mit Mitteln der Kunst dargestellte Verschränkung von radikaler gesellschaftlicher Veränderung inflationärer Inszenierung von Ersatzobjekten in einem größeren Rahmen fort. Unter der Leitung des Autors und Journalisten Mathias Greffrath diskutieren der Künstler Javor Gardev, der Ausschnitte aus seiner Arbeit „Visual Police“ vorstellen wird, der bulgarische Kulturwissenschaftler Ivaylo Ditchev und der ukrainische Kunsthistoriker Konstantin Akinsha. Sowohl der zwischen Sofia und Paris pendelnde Ditchev als auch der heute in Budapest lebende Akinsha haben die Transformationsprozesse in den Ländern des östlichen Europa seit Jahren in ihren essayistischen Texten begleitet. Bei Akinsha beeindruckt dabei immer wieder die Fähigkeit, die konkrete Auswirkung dieser Prozesse auf den Alltag der Menschen plastisch zu beschreiben, so dass sich auch Außenstehende ein Bild davon machen können. Die analytische Genauigkeit, die feine, aber messerscharfe (Selbst-)Ironie Ivaylo Ditchevs wird auch in dieser Diskussion dabei helfen, das weite Themen- und Vorstellungsfeld Europa auf präzise Einzelentwicklungen zurückzuführen.

Die letzten Worte des Abends zum Thema Europa gehören den Jungen Redakteuren der „Titanic“ und ihrer Leseshow „Titanic goes east europe - east europe goes titanic“. Denn auch eine deutsche Satireinstitution wie das Magazin „Titanic“ hat eine Meinung zu Europa - behaupten sie jedenfalls.


Die Filmmatinee

Sonntag, 22.10.06, ab 11.00 Uhr
Strategien des Überlebens

Im Abaton Kino in Hamburg präsentieren wir herausragende und preisgekrönte Filme des Sarajevo Film Festivals in Anwesenheit der Regisseure sowie sowie Faruk Lončarević aus Bosnien-Herzegowina, der für seinen Film „Mum’n’Dad / Mama I Tata“ beim Sarajevo Film Festival 2006 den Special Jury Award gewann: vom ungarischen Regisseur Kornél Mundruczó „Johanna“ (2005, 83 min.) und vom rumänischen Regisseurs Christi Puiu „Moartea domnului Lazarescu“ (Death of Mr Lazarescu, 2005, 150 min.).

„Johanna“ ist eine kuriose Mischung aus Jeanne-d’Arc-Drama und Horrorkino, bei dem sämtliche Dialoge gesungen werden. Der drogenabhängigen Johanna wurde nach einem Unfall im Krankenhaus das Leben gerettet. Unter Einsatz ihres Körpers wird sie fortan selbst zur Wunderheilerin. Der im Dokumentarstil angelegte Spielfilm Puius handelt von der Suche des Herrn Lazarescu, 63, nach einem Krankenhaus, in dessen Verlauf sich sein Zustand zusehends verschlimmert. Mit seiner Odyssee durch das rumänische Gesundheitssystem gewährt Puiu intime Einblicke in die Situation sich auflösender Familienstrukturen und anderer sozialer Netzwerke und beschreibt die daraus resultierende Isolation des Einzelnen.

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